Was geschieht, wenn ein 23-Jähriger die Bücher unter den Arm nimmt, um im Süden von Europa an der Sonne zu studieren? Wenn er eine italienische Insel findet, 9,5 km2 gross, die andere vor ihm verlassen haben auf der Suche nach Arbeit in der Emigration? Die Dörfer zu Geisterdörfern zerfallen, die Räume von Wermut und Ginster bewachsen, von Geckos und Schlangen bewohnt.
Er ist mit den letzten Einheimischen zusammen in Winterstürmen und in Erdbeben, beim Weinstampfen und beim Brotbacken. Er lebt mit wenig Geld, ohne Strom und ohne Strassen am Rand der Zivilisation. Er durchstreift eine unberührte, raue Natur.
Eines Morgens steht er auf einem Berg vor einer Ruine und hat das seltsame Gefühl, nach Hause gekommen zu sein. Noch am gleichen Tag wird der Kaufvertrag unterschrieben. Der Poet der Insel überschreibt ihm das zerfallene Grundstück und rezitiert dem «Svizzero» das Gedicht der sieben Schwestern (Radio SRF-Hörfeature)
Nun geht der Traum vom Haus auf einer Insel zu Ende. Die Wirklichkeit beginnt. Die Insel macht ihn zum Baumeister, zum Gärtner, zum Komponisten. Neben dem Haus pflanzt er seinen ersten vertonten Baum - eine Zypresse.
Das Lied der Insel (mp3|5MB)
1978 by Roland Zoss
Ich höre die Totenglocken läuten
die alte Maria ist fortgegangen
sie, die sich Reben zog und Minze
wandert aus als letzte von zweitausend
die damals vor dem ersten Krieg
in den Wein das Feuer stampften
bis der Hunger in die Dörfer kam
Der Abend steigt in blauen Schatten
herauf zu meinem Platz am Berg
Der Mongoloide auf dem Heimweg
singt sein Liedchen vor sich hin
Wie wär ich einsam ohne ihn
auf dieser kleinen Insel
Morgen geht's Leben wieder weiter
Herr Doktor verschreibt ein Aspirin
Der Priester vertreibt sich die Tage
im Kirchenschatten beim Kartenspiel
Und Angela – dreizehnjährig – ist
Jungfrau und erwartet ein Kind
Vom Heiligen Geist aus Australien
Doch alle werden wacker beten
zur Santo-Stefano-Prozession
Unter der süßen Last des Kreuzes
träumen die Burschen von Amerika
und alle Sünden werden vergeben
auf dieser kleinen Insel
Die Nacht kommt schwarz aus Afrika
ein Föhn wäscht Gold in meinem Haar
Aroma von Lehm und Kaffee
Karawanen ziehen über das Meer
Im Hafen heult ein Motorboot auf
Jäh falle ich aus meinen Sphären
Im Dorf brennen schon die Gaslaternen
Der Weg zurück dorthin ist weit
bös zerstört von Wetter und Vieh
Haben denn alle das Paradies verlassen
auch der grüne Engel im Olivenbaum?
Und ich bin bloß ein Fremder hier
auf dieser kleinen Insel!?
1993 erhielt Roland Zoss für dieses Werk den Literaturförderpreis der Stadt Bern.
«Der Autor verwandelt Sprache in Düfte und Klänge, in Stimmungen und Landschaften mit eindringlichen, verblüffenden Bildern!»
Erschienen als Buch und Hörbuch-CD
Auch als E-Book in Deutsch, Englisch und Französisch erhältlich
Audio-Dokument zum Buch:
Wer Filicudi hören möchte, kann das einstündige Radiodokument als CD im Shop beziehen oder als Download bei iTunes
Zum Reinhören:
Hier die Gesänge zur Santo Stefano-Prozession.
Dokumentarfilme:
Menschen & Steine (italienisch)
Eremit Gisbert